Für steuerpflichtige Arbeitnehmer*innen gibt es nur Entweder-oder: Entweder liegt eine Verpflichtung zum Einreichen der Steuererklärung vor oder die Abgabe erfolgt freiwillig. Im Fachjargon handelt es sich bei Ersterem um eine sogenannte „Pflichtveranlagung“ und bei Zweiterem um eine „Antragsveranlagung“. „Je nach Veranlagung können sich unterschiedliche steuerrechtliche Konsequenzen ergeben. Personen, die die Steuererklärung 2022 abgeben müssen, haben dafür bis zum 2. Oktober 2023 Zeit. Werden sie dabei von Steuerberater*innen unterstützt, müssen sie die Steuererklärung sogar erst am 31. Juli 2024 abgeben. Steuerpflichtige, die die Erklärung freiwillig abgeben, können sich deutlich mehr Zeit lassen mit der Einreichung. Für sie endet die Möglichkeit der freiwilligen Abgabe vier Jahre nach dem Veranlagungszeitraum und damit für das Steuerjahr 2022 erst Ende 2026“, so Michael Leistenschneider, Präsident der Steuerberaterkammer Saarland.

 

Wer muss eine Steuererklärung abgeben?

Beziehen Steuerpflichtige ausschließlich Lohn oder Gehalt aus einer Arbeitnehmertätigkeit, müssen sie nur in gesetzlich geregelten Ausnahmefällen eine Steuererklärung abgeben. Die Einkommensteuer, die auf den Arbeitslohn anfällt, wird bereits jeden Monat anteilig als Lohnsteuer vom Arbeitslohn abgezogen und an den Staat abgeführt. Damit sind die Einkünfte grundsätzlich bereits versteuert. In bestimmten Fällen kann der Lohnsteuerabzug alleine die steuerlichen Pflichten jedoch nicht abschließend berücksichtigen. Dann sind Arbeitnehmer*innen doch verpflichtet, fristgerecht eine Steuererklärung abzugeben.

Zur Abgabe verpflichtet sind u. a.:

  • Steuerpflichtige, die neben Einkünften aus einer Arbeitnehmertätigkeit zusätzlich Einkünfte ohne Lohnsteuerabzug von mehr als 410 Euro (z. B. Renteneinkünfte oder Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung) bzw. Lohnersatzleistungen erhalten haben, die dem sogenannten Progressionsvorbehalt unterliegen und mehr als 410 Euro betragen. Beim Progressionsvorbehalt fließt die Höhe bestimmter steuerfreier Einkünfte in die Berechnung des persönlichen Steuersatzes ein. Hierunter fallen beispielsweise Eltern-, Kranken-, Arbeitslosen- und Kurzarbeitergeld. Der Steuersatz berechnet sich dann aus der Höhe der Einkünfte – je höher die Einkünfte, desto höher der Steuersatz.
  • Zusammenveranlagte Ehepaare, die Arbeitslohn bezogen haben und eine*r von ihnen nach der Steuerklasse V oder VI Steuern abführen muss, oder wenn das Ehepaar die Steuerklasse IV mit Faktor gewählt hat.
  • Steuerpflichtige, die nebeneinander von mehreren Arbeitgeber*innen gleichzeitig Lohn bezogen haben.

 

 

Wann lohnt sich die freiwillige Abgabe einer Steuererklärung?

Steuerpflichtige haben die Möglichkeit, freiwillig eine Einkommensteuererklärung innerhalb der 4-Jahresfrist abzugeben. Dies kann sich etwa dann lohnen, wenn Aufwendungen steuermindernd geltend gemacht werden können. Kommen Steuerpflichtige mit ihren Aufwendungen über den sogenannten Werbungskostenpauschbetrag, der immer abgezogen wird, entsteht ein Steuervorteil. Für die Steuererklärung 2022 liegt dieser bei 1.200 Euro. Beträgt bei einer Fünftagewoche die Entfernung von der Wohnung bis zur ersten Tätigkeitsstätte mehr als 17 km, kann es sich bereits aufgrund der Fahrtkosten lohnen, eine Steuererklärung abzugeben. Zu beachten ist jedoch, dass die Kilometerpauschale für Arbeitstage im Homeoffice nicht geltend gemacht werden kann. Stattdessen gewährt der Fiskus die sogenannte Homeoffice-Pauschale. Diese beträgt 5 Euro pro Arbeitstag für bis zu 120 Tage für das Jahr 2022. Es besteht allerdings die Gefahr, dass sie im Werbungskostenpauschbetrag dann „verpufft“, wenn nicht durch andere zusätzliche Werbungskosten die 1.200 Euro-Grenze überschritten wird.

Falls neben Homeoffice-Tagen und gefahrenen Kilometern noch weitere Werbungskosten wie Aufwendungen für Arbeitsmittel, Arbeitskleidung, Weiterbildungskosten etc. angefallen sind, hat die Abgabe einer Steuererklärung spürbare finanzielle Vorteile. Auch Kinderbetreuungs- oder Lohnkosten für haushaltsnahe Dienstleistungen können bspw. im Rahmen der Steuererklärung geltend gemacht werden.

 

Benötigt das Finanzamt zwingend Belege im Rahmen der Steuererklärung?

Eine Pflicht zum Übersenden sämtlicher Belege zusammen mit der Steuererklärung besteht nicht. Vielmehr gilt seit dem Veranlagungszeitraum 2017 die sogenannte Belegvorhaltepflicht. Dies bedeutet, dass mit der Steuererklärung grundsätzlich keine Belege mehr eingereicht werden müssen. Nur für den Fall, dass das Finanzamt Rückfragen oder Zweifel hinsichtlich einzelner Aufwendungen z. B. in Form von Arbeitsmitteln, Beiträgen zu Berufsverbänden, Spendenbescheinigungen oder Beitragsbestätigungen zu Versicherungen hat, sind die entsprechenden Belege einzureichen. Die Belege können neben der elektronischen Steuererklärung auch digital über das Portal ELSTER übermittelt werden. Auch die Lohnsteuerbescheinigungen müssen Steuerpflichtige nicht selbst einreichen, da sie von Arbeitgeber*innen bereits elektronisch an das Finanzamt übermittelt wurden.

 

Hat es Konsequenzen, wenn Steuerpflichtige die Steuererklärung nicht oder zu spät einreichen?

Wenn Steuerpflichtige trotz Abgabeverpflichtung und Aufforderung durch das Finanzamt keine Steuerklärung abgeben, schätzt das Finanzamt als ultima ratio das zu versteuernde Einkommen. Diese Schätzung kann zu Ungunsten der Steuerpflichtigen ausfallen. Die Schätzung ersetzt jedoch nicht die Pflicht zur Abgabe der Erklärungen. Ergeht der Schätzungsbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, werden nach erfolgter Einreichung der Steuererklärung sämtliche Angaben berücksichtigt und der Bescheid auf Grundlage der tatsächlichen Einkünfte geändert. Wenn der Schätzungsbescheid hingegen nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergeht, können Steuerpflichtige nur innerhalb der einmonatigen Einspruchsfrist dagegen vorgehen.

Doch bevor es zu einer Schätzung kommt, hat das Finanzamt weitere Möglichkeiten, um säumige Steuerpflichtige dazu zu bringen, ihren Pflichten nachzukommen. Hierbei handelt es sich insbesondere um Verspätungszuschläge und Zwangsgelder.

Wenn die Steuererklärung mehr als 14 Monate nach Ablauf des relevanten Steuerjahres abgegeben wird, ist das Finanzamt von Amts wegen verpflichtet, einen Verspätungszuschlag zu erheben. Dieser Zeitraum verlängert sich aktuell, da die Abgabefristen für die Steuererklärung 2022 verlängert wurden. Für die Steuererklärung 2022 bedeutet dies, dass ab dem 1. August 2024 zwingend ein Verspätungszuschlag erhoben wird. Vor diesem Zeitpunkt liegt die Erhebung eines Verspätungszuschlags bei nicht fristgerecht eingereichter Steuererklärung im Ermessen des Finanzamts. Gleiches gilt z. B. wenn die Steuer auf 0 Euro oder eine Steuererstattung festgesetzt wird. Der automatische Verspätungszuschlag beträgt 0,25 Prozent der festgesetzten Steuer, mindestens aber 25 Euro pro angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung. In der Höhe ist der Zuschlag auf 25.000 Euro begrenzt.

Doch dieser ganze Sanktionsmechanismus kann vermieden werden. Wenn Steuerpflichtige bereits absehen können, dass die Frist zur Abgabe der Steuerklärung voraussichtlich nicht eingehalten wird, können sie beim zuständigen Finanzamt einen begründeten Antrag auf Fristverlängerung stellen. Mögliche Gründe sind z. B. der Tod von nahen Angehörigen, ein längerer Auslandsaufenthalt, fehlende Unterlagen, eine längere Krankheit bzw. ein längerfristiger Krankenhausaufenthalt oder ein Umzug.

 

Fazit und Empfehlung von Kammerpräsident Leistenschneider:

„Bei der Erstellung und fristgerechten Abgabe der Einkommensteuererklärung 2022 gibt es eine Menge zu beachten. Dies betrifft sowohl diejenigen, die zur Abgabe verpflichtet sind, als auch diejenigen, die dies freiwillig tun. Wer sich bei dem Thema unsicher fühlt, sollte rechtzeitig die fachliche Beratung von Steuerberater*innen in Anspruch nehmen. Orientierungshilfe bei der Suche bietet der Steuerberater-Suchdienst auf der Website der Steuerberaterkammer Saarland unter www.stbk-saarland.de.“

Aus urheberrechtlichen Gründen ist eine Verwendung des Textes nur mit Quellenangabe (Steuerberaterkammer Saarland) möglich.